SPARK CONVERSATIONS

„Keep an open mind – sonst versäumst Du im Leben (zu) viel.“

Im Gespräch mit Kathrin Weber und Axel Anderl

Von Mark Alexander Grübbeling 

01. Dezember 2025 

© SPARK Art Fair
© SPARK Art Fair

An einem Herbsttag, den Rilke nicht besser hätte verdichten können, wandere ich die Wiener Alleen hinunter und besuche das Sammlerpaar Kathrin Weber und Axel Anderl. Mit der Gründung der Art Spaces Vienna haben sie ihre Sammlung geöffnet und den Schritt zur öffentlichen Verantwortung vollzogen. Ihre Räume sind eine Plattform, ein Salon der den Dialog sucht, in dem Künstler:innen auf Kunstinteressierte treffen und beweisen Mut zur Instituionalisierung des Privaten. Gerade haben sie Violetta Ehnsperg gezeigt, die auf der SPARK dieses Jahr brillierte und nun zum „Chanel Artist“ ernannt wurde. Axel Anderl und Kathrin Weber sind beide erfolgreiche Anwälte: Im Gespräch und Spannungsfeld von Recht und Ordnung und Kunst und Krawall.

SPARK: Herr Anderl, wie kamen Sie beide zur Kunst?

Axel Anderl: Das waren zwei unterschiedliche Wege, die sich dann verschlungen haben. Dazu muss man voranstellen, dass wir seit 33 Jahren ein Paar sind. Kathrin ist sehr kunstaffin erzogen worden. Sie hat mich schon in frühen Beziehungsjahren in Museen mitgenommen. Da ist der Funke bei mir noch nicht übergesprungen. Das kam, als ich vor 20 Jahren bei DORDA die Leitung des IT/IP Teams übernommen habe. Ich kam mit Museen, aber auch Künstlern wie Herbert Brandl oder Erwin Wurm in Kontakt. Der Blick hinter die Kulissen, die Zusammenarbeit mit herausragenden Persönlichkeiten der Kunstwelt haben mir die Augen geöffnet und das Interesse an der bildenden Kunst geweckt. Daraus ergab sich dann sehr zeitnahe die Sammlertätigkeit.

SPARK: Wann wurde aus der gemeinsamen Leidenschaft die Notwendigkeit eines Raumes wie der des Art Space?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Vor mittlerweile etwa acht Jahren begannen die Wände für unsere Sammlung zu knapp zu werden. In zwei Büros und zu Hause war es schon sehr voll. Es war für uns keine Option, für ein Lager zu sammeln. Also standen wir vor der Wahl, zum Sammeln aufzuhören oder einen Ausstellungsraum für unsere Sammlung zu schaffen. Wir haben uns für letzteres entschieden, brauchten aber gut drei Jahre, den richtigen Ort zu finden.

SPARK: Danke, dass ich heute zu Besuch sein darf. Sie haben hier auch einen Raum der Begegnung geschaffen. Wie sehr hat dieser die Identität Ihrer Sammlung – Ihre Risikobereitschaft, Ihre Narrative – verändert?

 

Kathrin Weber & Axel Anderl: Aus der Idee, einen Ausstellungsraum für unsere Sammlung zu schaffen, wurde schließlich ein ganz anderes Konzept: Nachdem wir die Räumlichkeiten adaptiert hatten, entschlossen wir uns, Künstler, die in unserer Sammlung sind, auszustellen.

Damit zeigen wir indirekt unsere Sammlung und ermöglichen unseren Kunst, Freunden! einen niederschwelligen Zugang zum Künstler abseits des Galeriebetriebs. Das Ganze passiert im Rahmen von Abenden im Geiste des Wiener Salons, wo ausgewählte Gäste im kleinen Rahmen die Ausstellung besuchen und auf den anwesenden Künstler treffen. Das hat eine ganz eigene Dynamik entfacht: Die von uns gesammelten Künstler haben sich untereinander vernetzt, unter den Gästen ist ebenso eine Verbindung entstanden. Unsere Sammlung ist dadurch zu etwas sehr Lebendigem geworden.

Axel Anderl und Kathrin Weber © SPARK Art Fair

SPARK: Ich lese momentan Rilkes Briefe an einen jungen Dichter. Ich finde nachstehender Auszug passt zu diesem Raum des Salons. „Die Dinge sind alle nicht so faßbar und sagbar, als man uns meistens glauben machen möchte; die meisten Ereignisse sind unsagbar, vollziehen sich in einem Raume, den nie ein Wort betreten hat, und unsagbarer als alle sind die Kunst-Werke, geheimnisvolle Existenzen, deren Leben neben dem unseren, das vergeht, dauert.“ – Rainer Maria Rilke, Briefe an einen jungen Dichter

Ist diese Sichtbarkeit vielleicht trotzdem die ultimative Form der Wertschätzung für Künstler:innen?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Für uns ist Sichtbarkeit von Kunst ein Muss. Auch wenn man ein Werk gekauft hat, hat man unseren Erachtens kein Recht auf Monopolisierung, auf Entzug vom Markt. Das ist unsere tiefste Überzeugung und Antrieb für unser Modell. Damit geht natürlich auch eine hohe Wertschätzung für das künstlerische Schaffen einher.

© Peter M. Mayr

SPARK: Ich denke auch. Man besitzt nichts im Leben gänzlich. Man trägt lediglich eine gewisse Verantwortung für die Dinge, mit denen man sich umgibt, die man in gewisser Weise zähmt. Kennen Sie den kleinen Prinzen, seinen Fuchs und die Rose? Gibt es eine Künstler:in die Ihnen besonders ins Auge gefallen ist? In den oder die sie sich verliebt haben? Eine Rose oder ein SPARK?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Von „unseren“ Künstler:innen nennen wir keine Favoriten. Wir haben sie alle sehr gern und ein gutes, sehr persönliches Verhältnis. Das ist ein zentraler Sammlungszugang von uns. Wenn ich an die SPARK denke: Nana Mandl hatte einen grandiosen Messeauftritt, indem sie den Stand als Gesamtkunstwerk gestaltet hat. Clemens Wolf hat auch eine sehr schöne Präsentation gehabt. Aber beide hatten wir damals schon lange in der Sammlung. Heuer sind uns Violetta Ehnsperg und Georg Haberler neu ins Auge gesprungen. Wir haben von beiden Werke erworben, Violetta hat nun im Herbst bei uns ausgestellt. Das ist bei unseren Kunst, Freunden! sehr gut angekommen. Georg folgt im Frühjahr – wir freuen uns schon sehr auf ihn. Seine Arbeiten machen uns einfach froh und gehen mitten ins Herz.

SPARK: Sie sind SPARK Fans und unterstützen uns tatkräftig. Was gefällt Ihnen so gut an der SPARK?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Das klare, auf einen Künstler pro Stand bezogene Konzept. Das beugt der Beliebigkeit der Messestände, die sonst oft auf ähnliche, sichere Positionen setzen, vor. Zudem ermöglicht es, Künstlerin die Tiefe und nicht nur mit einem oder zwei, vielleicht nicht ganz so repräsentativen Werken vorzustellen.

SPARK: Worin liegt das einzigartige Spannungsverhältnis der Wiener Kunstwelt im internationalen Vergleich, und welche Rolle spielt Ihr Art Space in diesem Gebilde?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Wien war immer eine Kunststadt. Über die Jahre hat sie an Bedeutung verloren, dann wieder gewonnen. Oft macht sich die Stadt aber zu klein als sie eigentlich mit ihrer Geschichte und Dichte an Möglichkeiten ist. Gleichzeitig ist die Wiener Kunstszene auch ein Dorf, man kennt sich rasch. Wir nehmen mit unserem Konzept eine gewisse Sonderrolle ein, weil wir Künstler, Kunstbetrieb und Wirtschaft gleichermaßen verknüpfen. Und das ohne eigene unmittelbare finanzielle Interessen. Dadurch können wir aber auch frei und authentisch agieren. Mit unseren Kunstabenden erreichen wir auch Personen, die sonst vielleicht in keine Galerie gegangen wären. Und wir geben jungen Künstlern Sichtbarkeit in für sie relevanten Kreisen.

© Peter M. Mayr

SPARK: Sie sind beide erfolgreiche Rechtsanwälte. Das Kunstrecht, Herr Anderl, beschäftigt sich mit Besitz, Authentizität und Verwertungsrechten. Wie beeinflusst dieser rationale Rahmen eine emotionale, oft intuitive Kaufentscheidung?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Axel vertritt viele Künstler und Kunstinstitutionen. Kathrin hat mit der Nachfolgeplanung für Künstler auch professionelle Berührungspunkte. Anders als in anderen Bereichen, wie z.B. dem Fußball oder generell Sport, verdirbt der Blick hinter die Kulissen aber nicht die Freude. Im Gegenteil, war die rechtliche Vertretung im Bereich Kunstrecht eigentlich der Startschuss für unsere Sammlerkarriere. Und Sammeln ist immer eine Mischung aus Emotion und rationalen Entscheidungen. Letztere geben einen Rahmen vor, innerhalb dessen wir uns dann frei bewegen. Und wir sind wechselseitig auch ein gutes Korrektiv. Ankäufe erfolgen nur einstimmig.

SPARK: Wenn Sie ein Werk erwerben, welche Dringlichkeit – ästhetisch, thematisch oder biografisch – muss estransportieren, um in Ihre Sammlung aufgenommen zu werden?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Es muss uns ansprechen, darf nicht zu brav, austauschbar sein. Wir suchen doch immer etwas Besonderes, Herausforderndes. Durchschnitt ist nicht unsere Welt. Weder beruflich noch privat.

SPARK: Das erinnert mich an ein Gespräch mit Vera Munro, das ich kürzlich geführt habe. In ihrem Haus hat sie die Fenster der Wittgenstein Villa einbauen lassen. Herzog & de Meuron hat dabei mehrfach gesagt: Das geht nicht! Und dann, als es ging war es natürlich sehr teuer. Sie tat es trotzdem. Das Haus ist ein Gesamtkunstwerk, ein Statement in Stilfragen. Sie sagte zu mir beim Tee: Geben Sie sich nie mit dem Mittelmaß zufrieden. Darauf habe ich geantwortet, dass ich dies nie tue es aber durchaus anstrengend sei. „Perfektion hat ihren Preis.“ Sie sah mich an und sagte: „Und dieser wird sich im Alter auszahlen. Sie werden auf ein erfülltes Leben zurückschauen, denn Sie haben immerdas getan, woran sie geglaubt haben.“ Ich musste schmunzeln und freue mich, wenn dieser Tag kommt. Wie sehen Sie die Zukunft des Sammelns in einer zunehmend digitalisierten Welt?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Für uns ändert sich nichts. Axel ist Pionier im IT Recht in Österreich. Trotzdem oder gerade deshalb ist unsere Sammlung rein analog. Als Ausgleich zum Job – sei es mit IT Spezialisierung oder rein durch das viele digitale Arbeiten – suchen wir das haptische Erlebnis. Digitale Kunst kann das für uns nicht bieten. Axel berät rechtlich auch in diesen Bereichen. Digitale Kunst sammeln wir aber nicht. Digitale Tools zur Verwaltung der Sammlung sind aber willkommen.

SPARK: Kann die emotionale Intensität eines Originals durch digitale Formen repliziert oder gar erweitert werden?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Aus unserer Sicht nicht. Wir schauen genug auf Bildschirme. Wir wollen privat möglichst analoge, unmittelbare, haptische Erlebnisse.

© Peter M. Mayr

SPARK: Haben Sie einen Lieblingsort in Wien?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Das Schönbrunner Bad und die Karlskirche.

SPARK: Zum Schluss: Was ist die wichtigste Lektion, die die Kunst Sie über das Leben gelehrt hat?

Kathrin Weber & Axel Anderl: Keep an open mind – sonst versäumst Du im Leben (zu) viel.

SPARK: Dieses Motto habe ich auch, nur manchmal denke ich dann an Jenny Holzer und ihre Truisms und den Slogan „Protect me from what I want“.

Kathrin Weber

Rechtsanwältin, Kunstsammlerin und Gründerin Art World Vienna

Axel Anderl

Rechtsanwalt, Kunstsammler und Gründer Art World Vienna

Mark Alexander Grübbeling

Communcation & Social Media SPARK Art Fair Vienna