SPARK CONVERSATIONS
Eine Wiener Auszeit mit Alexandra Winkler
Von Mark Alexander Grübbeling
15. September 2025


An einem sonnigen Dienstagnachmittag spazieren meine Kollegin Dania und ich die belebte Kärntner Straße hinunter. Wir sind auf dem Weg ins SACHER. Dort sind wir mit Alexandra Winkler verabredet. Alexandra Winkler ist die Co-Eigentümerin von einem der großen Schätze Wiens, ja Europas – dem SACHER, einem Gesamtkunstwerk, das ständig im Wandel und dennoch seinem Herzen immer treu geblieben ist. Das SACHER ist die Wiener Erfolgsgeschichte. Es ist geprägt von dem Genius, der in Wien nun einmal auf unerklärliche Art und Weise einfach zu Hause ist. Hier, wo sie alle ein- und ausgingen, hier, wo das Leben zu einem Kunstwerk wird, treffen wir also pünktlich um 12 Uhr auf Frau Winkler. Wir sprechen mit ihr über Erinnerungen, Tradition, Kunst und die Artists Collection der Torte, die die Welt auf den Kopf gestellt hat.

SPARK: Frau Winkler, zu meinem Geburtstag habe ich immer eine Sacher-Torte aus Wien bekommen. So habe ich das SACHER als Kind kennengelernt. Was für Proust die Madeleine war, ist für mich also die Sacher-Torte. Wenn ich an Wien denke, dann denke ich dementsprechend vor allem an das SACHER. An was denken Sie?
Alexandra Winkler: Ich bin in Wien geboren, aufgewachsen und lebe glücklich in dieser Stadt. Wenn ich an Wien denke, denke ich natürlich auch zuallererst an das SACHER, mit dem ich im wahrsten Sinne des Wortes groß geworden bin. Meine Familie führt es seit vielen Jahrzehnten und es ist für Wiener und Reisende ein Treffpunkt, um sich kulturell auszutauschen. Hier treffen Geschichten, Gäste und Mitarbeiter:innen aus aller Welt aufeinander. Das SACHER ist die Verbindung von Gastfreundschaft, Kunst und Geschichte. Direkt daneben liegen die Wiener Staatsoper und die Sammlung Albertina. Die Sammlung Albertina hat eine wunderschöne Terrasse, von der aus man die Stadt überblickt. Nur ein paar Schritte entfernt ist die Spanische Hofreitschule. Die Spanische Hofreitschule ist für mich der Inbegriff dessen, was Wien ausmacht: Gelebte Tradition und die absolute Hingabe an das Handwerk in Kombination mit Disziplin.
SPARK: Das SACHER ist ein Ort voller Geschichte und Geschichten. Wenn mich Freunde in Wien besuchen, dann ist ein Besuch im SACHER unabdingbar. Inwiefern ist die Vergangenheit und die damit verbundene Tradition eine Inspiration für Ihre persönliche Beziehung zu Kunst? Welche Rolle spielt Tradition in Ihrem Leben?
Alexandra Winkler: Gustav Mahler hat einmal gesagt: „Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der kalten Asche.“ Tradition bedeutet für uns also die Weitergabe des Feuers. Das Sacher steht nicht still in der Vergangenheit, sondern lebt seine Inspiration und Verantwortung gegenüber dem Erbe aber auch gegenüber der Gegenwart und Zukunft. Wir versuchen das kulturelle Erbe lebendig zu halten und zugleich offen für Neues zu bleiben. Kunst und Kultur helfen dabei Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen.
Für mich persönlich ist Kunst eine stille Begleiterin im Alltag– sie inspiriert, bringt zum Nachdenken, hilft manchmal Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen und sie ist ein Gegenpol zu dem Alltäglichen.


SPARK: Das Hotel ist ein Gesamtkunstwerk. Es versprüht eine gewisse Magie, die man fühlen kann, aber nie gänzlich definieren könnte. Für Sie ist es Alltag, für die meisten Gäste nur ein Augenblick. Als ich das SACHER zum ersten Mal betreten habe, es war kurz vor Weihnachten, war ich wie verzaubert. Ich hatte das Gefühl in Tchaikovsky´s Nussknacker einzutreten und in dieses Märchen zu verreisen. Was gehört für Sie zu dieser Magie?
Alexandra Winkler: Ich würde die Magie als das Zusammenspiel aus Atmosphäre, Geschichte und gelebter Gastfreundschaft von jedem einzelnen meiner Kolleginnen und Kollegen beschreiben. Ein herzliches Willkommen unseres Wagenmeisters beim Eingang des Hotels, das Klirren des Porzellans beim Frühstück, die Klaviermusik am Abend in der Roten Bar, der Duft einer Original Sacher-Torte und einer Wiener Melange in unserem Cafe SACHER. Es sind die vielen einzelnen Momente und Interaktionen des Gastes mit unserem Team, die dem Gast das Gefühl geben sollen, dass man im SACHER nicht nur übernachtet und isst, sondern bewusst einzigartige Momente erlebt.
SPARK: Wien ist neben dem SACHER, auch berühmt für die Musik und Kunst. Die Stadt der großen Genies. Was macht Wien in Ihren Augen so besonders für die Kunst- und Kulturlandschaft?
Alexandra Winkler: Wien zählt zu den führenden Kulturstädten der Welt – die Stadt vereint eine beeindruckende Geschichte mit lebendiger Gegenwart. Ich würde sagen hier ist Kultur „kein Event“ sondern ein Teil des Alltags. Ob in unserem vis à vis der Wiener Staatsoper, wo tagtäglich etwas Anderes gespielt wird oder in der Albertina oder entlang der Wiener Ringstrasse oder in einem typischen Wiener Kaffeehaus, die Kunst, Kultur und Geschichte dieser Stadt sind eigentlich überall zu spüren. Das ist es, was Wien in meinen Augen so besonders und speziell macht.
SPARK: Dieses Wien was Sie beschreiben, ist auch das Wien von Stefan Zweig gewesen. Es ist auch das Wien, was ich liebe. Stefan Zweig schreibt in seiner Welt von gestern aber auch: „Tradition ist auch immer Hemmung.“ Wie integrieren Sie moderne und zeitgenössische Kunst in ein so traditionsreiches Umfeld, ohne die Essenz des Hauses zu beeinträchtigen? Gibt es hier eine bewusste Gratwanderung?
Alexandra Winkler: Im SACHER sehen wir Tradition nicht als starres Denkmal, sondern als lebendiges Fundament, das Raum für Innovation schafft und es uns eben ermöglicht Werte, Haltungen und Geschichten weiterzudenken. So gesehen ist die Tradition auch Inspiration.
Kunst hat im SACHER immer schon eine zentrale Rolle gespielt – schon als das Haus gegründet wurde, waren viele Künstler bei uns zu Gast. Anna Sacher war es, die später die ersten Kunstwerke für das Haus gesammelt hat und oft, anstelle für die Kosten für Logis bzw. Bewirtung, ein Kunstwerk eines jungen Künstlers wollte. Wir sehen Kunst im SACHER also nicht nur als Dekoration in unseren Räumlichkeiten, sondern als Teil unserer Identität.
Kunst und Hotellerie haben für mich einige Gemeinsamkeiten: Beide schaffen Erlebnisse und Atmosphäre, beide erzählen Geschichten. Wenn man also Kunst ganz gezielt in ein Hotel einbindet, verleiht das einem Hotel einen ganz speziellen Charakter und macht es in meinen Augen einzigartig.

Mit der SACHER Artists Collection haben wir bewusst einen Weg gewählt, zeitgenössische Kunst in den Dialog mit der Geschichte unseres Hauses zu bringen. Jedes Jahr erscheint eine Sonderedition der Original Sacher-Torte, wo jeweils ein:e namenhafte:r Künstler:in die Holzkiste der Torte gestaltet. Dabei tun wir auch noch Gutes, denn der Gesamterlös aus dem Verkauf kommt einem sozialen Projekt zugute. Jede:r Künstler:in dieser bisher gestalteten Artists‘ Collection interpretiert das SACHER aus einer eigenen, heutigen Perspektive. Diese kuratierte Gratwanderung ist gewollt: Sie erlaubt Reibung, sie schafft neue Blickwinkel, ohne die Essenz des Hauses zu verraten. Sie macht das SACHER auf eine neue Weise sichtbar und zeigt einmal mehr, dass Tradition und Gegenwart kein Widerspruch sein müssen.
SPARK: Die SPARK hat sich als wichtige Plattform für zeitgenössische Kunst in Österreich etabliert. Welche Bedeutung messen Sie Kunstmessen bei, um Kunst einem breiteren Publikum zugänglich zu machen?
Alexandra Winkler: Formate wie die SPARK leisten einen wichtigen Beitrag, um zeitgenössische Kunst sichtbarer und zugänglicher zu machen. Ich halte es für wichtig, dass Kunst nicht nur im geschlossenen Raum stattfindet, sondern Menschen auf Augenhöhe begegnet – unabhängig von Vorwissen oder Herkunft. Die SPARK schafft genau diese Offenheit. Sie bringt Künstler:innen, Galerien und ein interessiertes Publikum in einen Dialog.
SPARK: Welche Kriterien sind für Sie entscheidend, wenn Sie ein neues Kunstwerk für Ihre Sammlung kaufen? Was war das erste Kunstwerk, dass Sie sich gekauft haben?
Alexandra Winkler: Ich verlasse mich auf meine Intuition – der erste Blick, das Gefühl, wenn man ein Werk erstmals sieht und es einen quasi „anspricht“ sprich man in „eine Beziehung“ mit einem Kunstwerk geht. Natürlich achte ich auch auf die handwerkliche Qualität und eine künstlerische Sprache aber das Wichtigste ist für mich, dass es mich wie gesagt emotional berührt. Ich kaufe Kunst vor allem dann, wenn ein Werk mich berührt – wenn es also etwas in mir auslöst, das sich nicht so leicht in Worte fassen lässt, aber natürlich spielt auch die Beziehung zu Künstler:innen oder Galerist:innen eine große Rolle – sie schafft Vertrauen und oft auch einen sehr persönlichen Zugang zum Werk.
Mein erstes Kunstwerk ist kein spezielles Kunstwerk. Ich war mit meinem Mann in einer Wiener Galerie und dort hat uns ein Werk eines sehr jungen aber noch unbekannten Malers angesprochen, der bei Markus Prachensky lernte. Es war ein für uns unendlich starkes Werk, in dem die Farbe rot dominierte.

SPARK: Mit der Farbe Rot assoziere ich auch immer Ihre Rote Bar. Beim Gedanken an die Rote Bar denke ich auch an Anna Sacher. Anna Sacher war eine echte Powerfrau, bekannt für ihren legendären Salon. Ich stelle mir vor, wie sie eine Zigarre raucht, dabei stickt und den Raum mit ihrem Charisma und Glanz erfüllt. Multitasking nennt man das heute, vielleicht ein wenig wie in der Arbeit „Swimming, Smoking, Crying“ von Dana Schutz. Halten Sie die Tradition des Salons aufrecht? An welchem Wiener Salon hätten Sie gerne teilgenommen? Wen würden Sie in Ihren Salon gerne einmal einladen?
Alexandra Winkler: Der Salon war immer mehr als ein Raum – er war ein geistiger Ort: Offen, neugierig, voller Gespräche, Meinungen und Charme. Diese Tradition liegt durch Anna Sacher tief in der DNA des SACHER und ja, ich versuche, sie auf meine Weise lebendig zu halten. Nicht in Form eines wöchentlichen literarischen Zirkels, aber durch Begegnungen, durch Austausch, durch das bewusste Schaffen von Atmosphäre, in der Menschen und Gedanken sich wirklich begegnen dürfen.
An welchem historischen Wiener Salon ich gern teilgenommen hätte? Wahrscheinlich bei Alma Mahler – allein schon wegen der Mischung aus Musik, Streitkultur und Lebensgefühl. Und wen ich heute gern in meinen eigenen Salon einladen würde? Menschen mit Haltung, Witz und Perspektive – Künstler:innen, Denker:innen, Gastgeber:innen. Jene, die nicht laut sein müssen, um etwas zu sagen.
SPARK: Gibt es ein bestimmtes Kunstprojekt oder eine Zusammenarbeit im Kontext des SACHER, die Sie sich für die Zukunft wünschen würden?
Alexandra Winkler: Das SACHER feiert im Jahr 2026 sein 150-jährigen Bestehen – dafür wünsche ich mir ein besonderes Kunstprojekt, das die enge Beziehung zwischen Kunst, Kultur und dem Sacher auf neue Weise sichtbar macht. Dieses Jubiläum ist für mich nicht nur ein Anlass zum Rückblick, sondern auch eine Gelegenheit, den Blick nach vorn zu richten – und zu zeigen, dass das SACHER nicht nur Geschichte bewahrt, sondern sich auch für zeitgenössische Perspektiven öffnet. Ich würde mir sehr wünschen, ein:e Künstler:in zu finden, der oder die die Essenz dieses Hauses versteht – mit Feingefühl, Tiefe und vielleicht auch mit einem Augenzwinkern.

SPARK: Ich kann Ihnen, mit einem Augenzwinkern, bei der Suche nach einer solchen Künstlerfigur die SPARK empfehlen. Für mich ist die Sachertorte, neben ihrer Rolle als Madeleine de Proust, auch meine Lieblingstorte. Meine Woche endet oft, Sonntags nach der Oper, mit einer Sacher-Torte und einem hitzigen Streitgespräch über die Inszenierungen an der Wiener Staatsoper. Was ist Ihre Lieblingstorte?
Alexandra Winkler: Ich liebe Schokolade und daher schlägt mein Herz natürlich für die Original Sacher-Torte. Das nicht nur wegen des Geschmacks, sondern auch wegen ihrer ganz speziellen Geschichte. Sie wurde 1832 von dem damals 16 Jährigen Franz Sacher, der Lehrling am Hofe des für Fürst Metternich war, kreiert. Bis heute wird sich nach diesem Geheimrezept in 34 Schritten von Hand gemacht. Ich esse sie am liebsten mit ungesüßtem Schlagobers und einer guten Tasse Sacher Tee… meine perfekte „Wiener Auszeit“.

Alexandra Winkler
Eigentümerin und Geschäftsführung Hotel Sacher

Mark Alexander Grübbeling
Communcation & Social Media SPARK Art Fair Vienna